Die Kunsthalle Schweinfurt und das Informel

Die Kunsthalle Schweinfurt und das Informel

Die Kunstsammlung der Stadt befindet sich seit 2009 im ehemalige Ernst-Sachs-Bad, das der Schweinfurter Industrielle Ernst Sachs den Bürgern seiner Heimatstadt „Zum Wohle und Segen der Bevölkerung und zur Förderung der Gesundheit und zur Freude von Jung und Alt“ schenkte und das in den Jahren 1931/33 nach Plänen von Roderich Fick erbaut wurde. Es bildet mit seiner bemerkenswert schlichten Architektur und seinem großzügigen Raumzuschnitt ein ideales Gebäude für Kunst und knüpft mit seiner Sammlung zeitlich sowie konzeptionell an das Museum Georg Schäfer an. Der Architekt Roderich Fick fasste es seinerzeit ausdrücklich nicht als Kritik auf, als man seinen Plänen im November 1930 treffenderweise vorwarf, „...die Sache sähe halt eigentlich nicht wie ein Hallenschwimmbad aus, sondern mehr wie eine Festhalle, in der auch Kunstausstellungen stattfänden.“

Obgleich ihre Wurzeln anfangs im regionalen Kunstschaffen lagen, ist diese städtische Einrichtung der Beweis, dass sich Kultur und Kunst nicht nur in den großen Städten der Bundesrepublik abspielen, sondern auch in der „Provinz“ Potential hat. Diese Entwicklung ist in Unterfranken in der Nachkriegszeit vor allem mit dem Wirken der katholischen Kirche verbunden und ihrem damaligen Bischof, Erzbischof und späteren Kardinal Julius Döpfner, der in dieser Zeit neue Akzente im kriegszerstörten Würzburg setzte und den Wiederaufbau zerbombter Kirchen vorantrieb, so auch in Schweinfurt. In den 1950er Jahren holten Julius Döpfner, sein Dombaumeister Hans Schädel und der Kunsthistoriker Prof. Urban Rapp OSB Künstler wie Georg Meistermann, Ludwig Schaffrath, Johannes Schreiter oder Markus Prachensky nach Franken. Der Wiederaufbau beziehungsweise Neubau von Kirchen war integraler Bestandteil der Wiedererstehung von Gesellschaft und Kultur. Karl Fred Dahmen aus Köln erhielt 1965 den Auftrag das riesige Wandrelief im Theater der Stadt zu gestalten, der Informelle und Zen 49-Gast Conrad Westpfahl verbrachte in der Nähe von Schweinfurt sein Alterswerk.

Das Informel als eine übergegenständliche oder besser gegenstandsentbundene Ausdrucksform, die in ihren abstrakt-farbrhythmischen Malgesten als bewusster Gegensatz gegen die Kunstdiktatur der Nazizeit und das heroische Menschenbild verstanden wurde, galt in den 1950er Jahren als Ausdruck der neuen politischen Ordnung. Rupprecht Geiger resümierte: „Die Welt schreit nach Erneuerung oder Untergang. Die Abkehr vom Gegenständlichen, der Ekel vor den Dingen, die auf den Menschen bezogen sind, hat seinen tiefen Grund. Diese Menschheit hat sich zutiefst verdächtig gemacht. Der herrlichste Frauenkörper hat nun den Makel auf dem Leib, die Frucht dieser bösen Sippe zu tragen.“


Bereits in den vergangenen drei Jahrzehnten wurden in Schweinfurt wichtige Vertreter der Gruppen um junger westen, ZEN 49, Quadriga, Neue Aachener Gruppe, Gruppe 53 in monografischen Ausstellungen gezeigt (Fietz, Geiger, Fathwinter, Matschinsky-Denninghoff, Thieler, Cavael, Karl Hartung, Westpfahl, Ackermann, Sandig, Ritschl) und konnten mit Mitteln des Kunstverein Schweinfurt, der Unterfränkischen Kulturstiftung sowie der Stadt Arbeiten der Künstler erworben werden. Gezielte Ergänzungen gelangen durch Leihgaben der Sparkasse Schweinfurt-Haßberge und vor allem durch Highlights aus der Sammlung der Bundesrepublik sowie jüngst von Heinrich Wildemann, Hubert Berke und Alfred Eichhorn. Sie sind im Westflügel des ehemaligen Hallenbades zu sehen. Ganz bewusst haben wir dabei den Blick auf eher unbekanntere Künstler dieser Nachkriegszeit gelenkt, um ihr Oeuvre (wieder) einem größeren Publikum bekannt zu machen. Dazu zählen unbestritten Hubert Berke, Albert Fürst oder Hans Kaiser.


Neben der ständigen Sammlung im Erdgeschoss mit rund 80 Spitzenwerken bietet die aktuellen Ausstellungen an verschiedenen Orten ein prächtiges Kaleidoskop des Informel aus eigenen Beständen aber mit Unterstützung von namhaften öffentlichen Sammlungen und Galerien, zahlreichen Nachlässen und privaten Leihgebern.


Das Ausstellungsprojekt im white cube der Kunsthalle mit seinen lichtdurchfluteten Raumperspektiven wird nicht einfach die Künstler nach ihrer Zuordnung in den verschiedenen Gruppen aufzeigen, sondern diese Kunstrichtung anhand ausgewählter Themen einer breiteren Öffentlichkeit vertraut machen. Diese sind beispielsweise Themen wie „Netzwerk Rheinland – Franken“, Aufträge im sakralen, öffentlichen und privaten Raum, die informelle Landschaft, die Rolle von Musik oder die informelle Plastik.